Sind Play-to-Earn-Games ein Schneeballsystem?

Sind Play-to-Earn-Games ein Schneeballsystem?

Play-to-Earn-Spiele sind einer der Renner des Metaverse. Doch wie können jene, die dem ökonomischen Prinzip eines Ponzi-Schemas folgen, von Spielen mit einer nachhaltigen ökonomischen Logik unterschieden werden?

Das Erbe der Adele Spitzeder

Benannt nach dem italienischen Schwindler Charles Ponzi, erlebt das Ponzi-Schema, auch bekannt unter dem Namen Schneeball- oder Pyramidensystem, mehr als 70 Jahre nach dessen Tod ein verstecktes Wiederaufleben.

Charles Ponzi
Foto von Charles Ponzi am Schreibtisch. Quelle: Wikipedia

Die Geschichte der Pyramidensysteme beginnt jedoch schon lange vor Charles Ponzi, als Adele Spitzeder mit der Spitzederschen Privatbank das erste aktenkundige Ponzi-System Deutschlands und vermutlich auch der Welt erfand.

Das System: Adele verspricht Investoren absurde Renditen für Kapital, das in ihrer Privatbank angelegt wird.

Der Haken an der Sache: Die versprochenen Investment-Renditen sind nichts als heiße Luft, denn Adele nutzt lediglich das Geld neuer Investoren, um alte Investoren auszubezahlen. Die Nachricht über die hohen Renditen der Spitzederschen Privatbank verbreitet sich jedoch wie ein Lauffeuer und immer mehr Individuen steigen ein ohne zu verstehen wie das System funktioniert. Als die Betrugsmasche auffliegt, verlieren viele der Investoren ihr angelegtes Geld.

Die Welle der Play-to-Earn-Spiele

Play-to-Earn, wörtlich übersetzt „spiele, um zu verdienen“ ist eine neue Form Blockchain-basierter Computerspiele, in welchen Spieler sich digitale Vermögenswerte durch ihre Aktivitäten im Spiel erwirtschaften.

Axie Infinity
Axie Infinity. Quelle: Axieinfinity

Axie Infinity ist derzeit das wohl bekannteste Play-to-Earn-Spiel. Eine Erklärung zum Spielprinzip von Axie Infinity ist in folgendem Artikel zu finden.  

Vertrauenswürdigen Erfahrungsberichten zufolge konnten im Jahr 2021 wenig erfahrene Spieler pro Tag zwischen 3,50 – 6,50 € und pro Monat zwischen 100 – 200€ mit dem Spielen von Axie Infinity verdienen.
Dies ist in etwa das Monatsgehalt einer ungelernten Reinigungskraft auf den Philippinen. Kein Wunder also, dass genau dort das Spiel einen riesigen Erfolg feierte. Schätzungen zufolge befinden sich etwa 40% aller Axie-Spieler auf den Philippinen.  

Neben Axie Infinity gibt es unzählige weitere Blockchain-basierte Play-to-Earn-Spiele wie Aavegotchi, Blockchain Brawlers, DeFi Kingdoms, Gods Unchained, Sorare, Star Atlas, Stepn, … Die Liste ist lang und wird fast täglich länger. So unterschiedlich diese Spiele auch scheinen, sie basieren alle auf einer ähnlichen Systematik.

Die Bestandteile eines Play-to-Earn-Spiels

Non-Fungible Token (NFT) symbolisieren Spielfiguren oder -gegenstände, welche benötigt werden, um am Spielgeschehen teilzunehmen.

Eine Kryptowährung mit unbegrenzter Geldmenge, die durch das Erzielen von Erfolgen im Spiel ausgeschüttet und durch Transaktionen im Spiel aus dem Umlauf genommen wird.

Eine Kryptowährung mit begrenzter Geldmenge, welche Stimmrechte im Verwaltungsprozess des Spiels widerspiegelt und teilweise im Spiel für bestimmte Transaktionen in Verbindung mit der Kryptowährung mit unbegrenzter Menge gezahlt werden muss.

Der klassische Spielablauf eines Play-to-Earn-Spiels verläuft nach folgendem Muster:

  • Der Einstieg: Um am Spiel teilzunehmen, müssen Spieler NFTs erwerben. Diese können auf einem Marktplatz anderen Spielern abgekauft werden.
  • Das Spiel: Der Spieler, nun im Besitz einer NFT-„Spielfigur“, beginnt mit dem Spielen und wird für Erfolge mit der Kryptowährung mit unbegrenzter Geldmenge entlohnt. Diese Währung dient zwei Zwecken. Zum einen muss sie gezahlt werden, um die Spielfigur instand zu halten. Zum anderen kann diese meist in Verbindung mit der Kryptowährung mit begrenzter Menge dazu verwendet werden, die Spielfigur (NFT) durch Upgrades zu verbessern.
  • Der Profit: Optimalerweise kann das aufgewertete NFT (die Spielfigur) auf dem Marktplatz für höheren monetären Gegenwert verkauft werden als die Summe der Kosten, die dafür aufgewendet wurde. Die Kosten für das Aufwerten des NFTs beziffern sich auf den Kaufpreis sowie den Wert der Kryptowährung, die für das Aufwerten gezahlt wurde. Diese Differenz ist die Entlohnung des Spielers für seine Spielzeit.

Das Problem des Play-to-Earn-Systems

Da Spieler im System Play-to-Earn mit dem Verkauf von NFTs Geld verdienen, ist der potentielle Verdienst stark abhängig von der Nachfrage. Die Nachfrage nach NFTs entsteht primär durch zwei Quellen. Auf der einen Seite die neuen Spieler, die in das Spiel einsteigen wollen, und auf der anderen die bestehenden Spieler, die bereit sind Geld auszugeben, um mit optimierten Figuren zu spielen.

Problematisch werden Play-to-Earn-Spiele dann, wenn ein Großteil der Nachfrage nach NFTs von Spielern stammt, die in das Spiel, alleinig mit der Absicht Geld zu verdienen, einsteigen. Diese Nachfrage kann die NFT-Preise stark ansteigen lassen und eine Spirale der Gier beflügeln. Diese sieht folgendermaßen aus:

Aufschwung Phase im Play-to-Earn-Systems
Die Aufschwungphase im Play-to-Earn-System. Quelle: Eigene Darstellung

Diese Spirale beruht jedoch auf der Grundlage, dass konstant neue Spieler in das Play-to-Earn-Spiel einsteigen und damit die Nachfrage nach NFTs stimulieren. Währenddessen kann das Angebot an NFTs jedoch erst verzögert ansteigen, da die Neueinsteiger erst ihre NFTs aufwerten müssen, um diese mit Profit am Markt verkaufen zu können. Somit werden Profite für die existierenden Spieler, die ihre NFTs an eine wachsende Menge an Neueinsteiger verkaufen, generiert (Aufschwungphase). Dies wiederum heizt den Kreislauf weiter an, da sich die Neuigkeiten über das „profitable“ Play-to-Earn-Spiel schnell verbreiten.

Das System kommt zum Zusammenbruch, sobald das Wachstum der Neueinsteiger nicht mehr ausreicht, um genügend Nachfrage zu generieren. In diesem Fall fällt der Preis der NFTs aufgrund fehlender Nachfrage, während das Angebot steigt. Das Angebot an NFTs steigt aufgrund der vielen Neueinsteiger aus der Aufschwungphase, welche ihre NFTs erst nach einiger Spielzeit verkaufen können. Dies führt dazu, dass Spieler ihre NFTs mit Verlust verkaufen, und der Hype um das Play-to-Earn-Spiel weicht einem Haufen panischer Spieler, die versuchen das sinkende Schiff mit minimalen Verlusten zu verlassen (Krise).

Kriese Phase im Play-to-Earn-System
Die Krise Phase im Play-to-Earn-System. Quelle: Eigene Darstellung

Sind Play-to-Earn-Spiele ein Ponzi-System?

Die Antwort auf diese Frage ist abhängig vom Zweck des Spiels. Wird das Spiel von Spielern gespielt, weil es Spaß macht oder nur aufgrund der Absicht Profite zu erzielen?

Zuerst ist festzustellen, dass es sich bei allen Play-to-Earn-Spielen um Nullsummenspiele handelt. Dies bedeutet, dass sich die Summe der Gewinne und Verluste aller Spieler gegenseitig aufheben muss.

Die entscheidende Frage ist, ob ein Play-to-Earn-Spiel Mehrwert schafft? Genau daran entscheidet sich, ob es den Mechanismen eines Schneeballsystems folgt oder davon divergiert. Denn wenn Spieler das Play-to-Earn-Spiel aufgrund des gebotenen Spielspaßes spielen, dann ist der erbrachte Mehrwert die Freude am Spiel, die monetär bemessen werden kann.

Dies ähnelt sehr stark dem System klassischer Videospiele, bei denen man eine Summe X ausgibt, um das Spiel zu kaufen, es einige Stunden zu spielen und bei Möglichkeit gebraucht auf dem Sekundärmarkt weiterzuverkaufen.

Auch die ökonomische Logik, die hinter Play-to-Earn-Spielen steckt, welche aufgrund des erbrachten Spielspaßes gespielt werden, ist weitaus stabiler. Denn hierbei wird die Nachfrage nicht nur durch Neueinsteiger stimuliert, sondern es eröffnet sich auch unter den existierenden Spielern ein Markt um hochwertige NFTs. Mit diesen können erfahrene Spieler noch mehr Genugtuung erfahren.

Nachhaltiger Play-to-Earn Kreislauf
Schema eines nachhaltigen Play-to-Earn-Kreislauf in der Aufschwungphase. Quelle: Eigene Darstellung

Sollte in diesem System das Wachstum neuer Spieler abfallen, so könnte sich der Preis für NFTs trotzdem halten. Des Weiteren ist ein panisches Aussteigen der existierenden Spieler unwahrscheinlich, da das Spiel aufgrund des Spielspaßes und nicht der Profitabsicht gespielt wird.

Nachhaltiger Play-to-Earn Kreislauf in der Kriese Phase
Schema eines nachhaltigen Play-to-Earn-Kreislauf in der Krise Phase. Quelle: Eigene Darstellung

Fazit

Wenn ein Play-to-Earn-Spiel allein aus Profitabsicht gespielt wird und keinen weiteren Mehrwert bietet, entspricht die grundlegende ökonomische Logik weitgehend einem Schneeballsystem. Da es sich bei Play-to-Earn-Spielen um Nullsummenspiele handelt, findet lediglich eine monetäre Umverteilung statt. Neue Spieler zahlen die Profite der alten Spieler, mit der Absicht selber Profite mit neuen Spielern machen zu können… Adele Spitzeder und Charles Ponzi lassen grüßen.


 

Kontakt: jonas [at] f5crypto com

Jonas Betz ist Krypto-Analyst bei der F5 Crypto Capital GmbH. Die verfassten Ansichten und Meinungen Jonas sind ausschließlich seine eigenen und geben nicht zwangsläufig jene der F5 Crypto Capital GmbH wieder. Dieser Text ist rein informativ und sollte in keinster Weise Ihre Anlageentscheidungen beeinflussen.

Der Autor hält möglicherweise Long oder Short Positionen in den diskutierten Werten.

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Geschrieben von

Als Krypto-Analyst bei F5 ist Jonas für die Recherche und Evaluierung von Krypto-Projekten sowie verschiedener mikro- und makroökonomischen Themen zuständig. Er besitzt einen Hochschulabschluss in Wirtschaftswissenschaften mit Schwerpunkt Finanzen und ist seit Jahren als engagierter Krypto-Investor tätig.

Kommentare
  1. Wirtschaftswissenschaftlich finde ich deine Darstellung sehr gut. Das Prinzip bzw. deine Abbildungen mit dem Angebot und der Nachfrage im Rahmen eines Kreislaufes finde ich persönlich sehr gut.

    Auf der einen Seite kann es einen tatsächlichen Spiele-Charakter haben – und auf der anderen Seite sind kapitalistische Anreize auch nicht von der Hand zu weisen. Da bin ich voll bei dir.

    Mir fehlt persönlich ein wenig die Gegenüberstellung und der Bezug zum Cryptomarkt in deinem Artikel. Die Token/Cryptowährungen die in den ‚Spielen‘ generiert oder verbrannt werden, existieren ja abgesehen davon auch in E-Wallets bzw. auf dem realen Cryptomarkt. Das heißt für mich, dass ein weiterer Einfluss Bestand auf das System hat, weil z.B.: Sandbox, Manaland, AxieInfinity, StepN usw. auch als Crypto-Währung tagtäglich und tatsächlich auf Cryptobörsen gehandelt werden. Das bedeutet wiederrum, dass ich nicht einmal das Spiel spielen muss, um damit auf dem Cryptomarkt zu handeln. Dies wäre eine weitere Säule in diesem Sytem. Heisst: ich denke du hast diese Punkte in deinem Artikel aus der Systemgrenze geworfen.

    Außerdem ist das ganze auch ein wenig vom Bitcoin abhängig. Fast alle Altcoins sind ein wenig den Schwankungen des Bitcoins unterworfen.

    Ich denke es ist wichtig an dieser Stelle zu erwähnen, dass es natürlich in allen belangen ein Monetäres und hohes Risko darstellt.

    1. Hallo Cem, erst einmal vielen Dank für deinen Kommentar!

      Natürlich hast du Recht, die durch Play-to-Earn-Spiele generierten Kryptowährungen werden wie auch Bitcoin oder Ethereum frei auf verschiedenen Börsen gehandelt und können daher von Individuen gekauft werden, welche keine Spieler des Play-to-Earn-Spiels sind.
      Das führt potentiell dazu, dass Investoren in der Aufschwungphase die betreffenden Token einkaufen, in Erwartung weiterer Kursgewinne. Dies heizt den Kreislauf (Aufschwung, Krise) durch erhöhten Hype um das Play-to-Earn-Spiel weiter an, führt aber im Umkehrschluss zu einem stärkeren Crash in der Phase der Krise. Denn sobald die externen Investoren merken, dass sich das Blatt wendet, werden sie sich wie alle anderen bemühen, ihre Token so schnell wie möglich zu veräußern.

      Zusammengefasst kann man sagen, dass externe Investoren den Kreislauf der Play-to-Earn-Spiele üblicherweise zusätzlich eskalieren.

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