Herausforderungen bei der Segmentierung des Krypto-Marktes – Den Wald vor Bäumen sehen
Spezialisierung und Segmentierung werden in der Kryptowelt immer wichtiger. Doch wie lässt sich der Krypto-Markt sinnvoll unterteilen?
Neues Paradigma
Es sind nun schon über 13 Jahre vergangen, seitdem der erste Baum im Kryptowald das Licht der Welt erblickt hat. Heutzutage dürften den meisten Menschen hochgewachsene Bäume wie „Bitcoin“ oder „Ethereum“ bekannt sein. Doch wer sich auf Coinmarketcap umschaut wird feststellen, dass es mittlerweile über 9.000 verschiedene Kryptowerte gibt. So wie es zum Ende des 18. Jahrhunderts keine Wissenschaftler mehr gab, die das komplette Spektrum der Wissenschaft abdecken konnten, gibt es heutzutage keine Krypto-Experten mehr, die den gesamten Krypto-Markt als ihr Fachgebiet bezeichnen können. Spezialisierung und Segmentierung werden in der Kryptowelt immer wichtiger. Wer sich nur auf einzelne Bäume konzentriert, könnte es versäumen, den Wald zu sehen.
Das Paradigma, in dem der Krypto-Markt sich als eine homogene Entität bewegt, ist nicht mehr gültig. Die unten aufgeführte Abbildung illustriert sowohl die Performanz des gesamten Krypto-Marktes seit Oktober 2020 als auch die Performanz einzelner Sektoren in Form von Indizes der FTX Kryptobörse. Dabei werden der DeFi-Sektor, der Privacy-Coins-Sektor und der Exchange-Coins-Sektor abgebildet. Seit dem Zusammenbruch des Marktes im Mai letzten Jahres divergieren die einzelnen Sektoren deutlich voneinander, sodass die Performanz der Exchange-Coins ca. 50% höher liegt als die des Gesamtmarktes. Auf der anderen Seite haben Privacy-Coins sich nie wirklich erholt und schneiden über 60% schlechter ab als der Gesamtmarkt. Der Kryptowald ist nicht länger eine Monokultur und manche Teile des Waldes wachsen besser als andere.
Sich dieses neue Paradigma vor die Augen zu führen, kann eine enorme Hilfe bei Investitionsentscheidungen sein. Doch vor der Ergründung der Frage wieso manche Böden fruchtbarer als andere sind, muss der Krypto-Markt in abgegrenzte Sektoren unterteilt werden. Und dies ist keine triviale Aufgabe.
Zersplitterter Markt
Die Grundprinzipien öffentlicher Blockchains kommen in allen Kryptowerten auf die eine oder andere Weise zum Vorschein und der Grad an Überschneidungen zwischen den einzelnen Protokollen ist enorm hoch. Deshalb findet die Kategorisierung von Kryptowerten typischerweise auf mehreren Ebenen statt. Die ITSA (International Token Standardization Association) kategorisiert Kryptowerte auf 6 verschiedenen Stufen. Diese Einordnung erstreckt sich vom wirtschaftlichen Zweck über die Technologie der unterliegenden Blockchain bis hin zum regulatorischen Status. Die multidimensionale Kategorisierung von Kryptowerten wird ebenfalls von der wissenschaftlichen Seite unterstützt. Friedhelm et. al. (2021) ordnen Kryptowerte anhand einer Matrix ein, wobei zwischen „funktionalen“ und „nicht funktionalen“ sowie „blockchain-internen“ und „blockchain-externen“ Kryptowerten unterschieden wird.
Bei beliebten Preis-Tracking-Plattformen wie Coinmarketcap oder Coingecko herrschen noch weitaus wildere Zustände. So führt Coinmarketcap ein Register mit 153 Kategorien und Coingecko ein Register mit 72 Kategorien, wobei ein Kryptowert zu mehreren Kategorien gleichzeitig gehören kann. Der Ansatz einer mehrfachen Einordnung ist für die Charakterisierung einzelner Kryptowerte sehr gut geeignet. Aber solch eine Kategorisierung verhindert die Zuordnung eines Kryptowertes zu einem disjunkten Segment des Marktes. Und eine Auseinandersetzung mit den Fragen, warum sich die Segmente des Krypto-Marktes divergent bewegen und inwieweit sich diese Bewegungen unterscheiden, kann nur erfolgen, wenn die einzelnen Segmente voneinander klar abgegrenzt werden. Andererseits wird die Zuordnung zu einem einzelnen Segment den Charakter eines Kryptowertes nicht hinreichend beschreiben können.
Eindeutige Mehrdeutigkeit
Deshalb verfolgen wir bei F5 Crypto einen hybriden Ansatz. Zunächst unterteilen wir den Markt in disjunkte Segmente, wobei ein Kryptowert genau einem Segment zugeordnet wird. Die Segmente werden selbst auch jeweils mithilfe von Attributen unterteilt: dabei kann aber ein Kryptowert mehreren Attributen eines Segments gleichzeitig zugeordnet werden. Wir identifizieren 4 abgegrenzte Sektoren:
- Kryptowährungen
Wertschöpfung: Bezahlsysteme oder Wertanlage/Reserve - Infrastruktur
Wertschöpfung: Essentielle Web-3.0-Bauteile - Finanzmärkte
Wertschöpfung: Finanzgeschäfte - DLT Dienste
Wertschöpfung: Web-3.0-Dienste
Die erste Untergliederung findet auf der Basis des Aspekts statt, der den Wert des Protokolls am meisten treibt. Beispielsweise ist BNB (Binance Coin) ursprünglich ein Kryptowert der Kryptobörse Binance und sollte demnach dem „CeFi“ Segment zugeordnet werden. Doch der Großteil von BNBs Marktkapitalisierung entspringt der Tatsache, dass BNB auch der native Kryptowert der Binance Smart Chain (BSC) ist. Einerseits werden alle Transaktionsgebühren auf BSC in BNB abgewickelt und andererseits ist ein signifikanter Teil des existierenden BNB Volumens in BSC-Protokollen gebunden. Entsprechend können wir BNB eindeutig dem Segment „Infrastruktur“ zuordnen.
Die Attribute innerhalb der disjunkten Segmente sind wesentlich liberaler gestaltet und ein Segment kann über beliebig viele, sich überschneidende Attribute verfügen. So ist BNB einerseits dem „Layer 1“ Attribut zuzuordnen, aber es gehört gleichzeitig auch zum Attribut „Smart Contracts Platform“. Mit dem hybriden Ansatz in der unten aufgeführten Abbildung schließen wir uns der etablierten Analyseplattform Messari an, die ebenfalls mit Hauptkategorien und Attributen arbeitet. Am Ende dieses Artikels befindet sich eine Tabelle mit der Kategorisierung von Kryptowerten, die im F5 Index gehalten werden oder gehalten wurden. Darauf basierend lässt sich beurteilen, ob der vollautomatisierte Index Präferenzen unter den Segmenten hat.
Fallbeispiel: F5 Crypto Index
Unser F5 Crypto Index weist eine starke Tendenz für die Segmente „Kryptowährungen“ und „Infrastruktur“ auf. In den knapp 4 Jahren seit der Erstellung des F5 Crypto Index wurde nur ein einziger Kryptowert aus dem Segment „Finanzmärkte“ aufgenommen, während das Segment „DLT Dienste“ überhaupt noch keine Vertretung gefunden hat. Vor dem Hintergrund dieser unausgeglichenen Verteilung wäre es nicht abwegig, die Wahl unserer Kategorien anzuzweifeln. Doch an dieser Stelle darf nicht vergessen werden, dass hier eine Kategorisierung aus dem Jahr 2022 auf einen Index angewendet wird, der bereits seit 2018 existiert.
Die mangelnde Diversität im Index spiegelt die homogene Marktstruktur vergangener Jahre wider. In der oben aufgeführten Illustration ist deutlich zu erkennen, dass der Anteil des „Infrastruktur“-Segments über die Jahre gewachsen ist. Diese Entwicklung ergibt Sinn, da der Begrifft „Smart Contract“ im Jahr 2018 für die überwiegende Mehrheit der Krypto-Enthusiasten ein Fremdwort war, während es sich in der Gegenwart bei der Hälfte der Top 10 Kryptowerte um „Smart Contracts Platforms“ handelt.
Die Entwicklung des Krypto-Marktes lässt sich besonders gut an den beiden oberen Abbildungen veranschaulichen. Der F5 Crypto Index hält ein Portfolio von insgesamt 12 verschiedenen Kryptowerten, wobei die Zusammensetzung jedes Quartal vollautomatisch neu festgelegt und ausbalanciert wird. Die Kryptowerte aus dem ersten Quartal (2018) können gerade mal 5 Attributen zugeordnet werden, wovon 37.5% als „Onchain Payments“ klassifiziert werden.
Verglichen damit sieht das Portfolio aus dem 15. Quartal (2022) deutlich diverser aus. Die Anzahl der zugeordneten Attribute hat sich von 5 auf 10 verdoppelt und „Finanzmärkte“ schneidet nun in die Anteile der beiden etablierten Segmente ein. Besonders interessant ist die Beobachtung, dass „Onchain Payments“ nur noch 5% des Portfolios ausmachen. Dies steht sinnbildlich für die Entwicklung des Krypto-Marktes vom zarten Pflänzchen eines einfachen Transaktionsmediums hin zum Dickicht des Web 3.0. In der Zukunft wird fundiertes Wissen über die Segmente im Krypto-Markt für intelligente Investitionsentscheidungen unumgänglich sein. Und wer einen Überblick über den gesamten Wald weiterhin behalten möchte, wird auf ein Team aus Analysten nicht verzichten können.